Umbau ehem. Schuhhaus Dietz Bad Neustadt

Baustellenupdate ehem. Schuhhaus Dietz Bad Neustadt

Die Voruntersuchungen sind in vollem Gange

Grundlage für die Sanierung des Denkmals ist, wie bereits beschrieben, ein verformungsgerechtes Aufmaß sowie eine restauratorische Befunduntersuchung und
-dokumentation.
Die Aufmaßpläne liegen uns bereits vor und am Mittwoch konnte auch der Restaurator einen Zwischenstand präsentieren.
Was lange Zeit unter Abhangdecken, Brettern und Vorwänden versteckt war, sorgte für Staunen bei allen Anwesenden. Zum Vorschein kamen zahlreiche historische Farbfassungen, insbesondere in den Gefachfeldern, Begleitstriche, florale Elemente, Deckenmalerei und auch Stuck. Leider sind die schönen Befunde nur noch sehr rudimentär vorhanden, denn weder die Zeit noch die vorangegangenen Umbauten machten Halt vor dem historisch ansprechenden Bestand.
Große Freude bereitete unter anderem die Bergung eines Schiebefensters mit Bleiverglasung. Im Zuge der Untersuchungen bestätigte sich außerdem die ehemalige Erschließung des Hinterhauses über einen ursprünglich offenen Laubengang. Dieser lässt sich nur noch erahnen, denn er wurde bereits verschlossen.

Update Baustelle ehem. Schuhhaus Dietz

Deckenaufbauten von über 1 m

Der Abbruch-Trupp leistet aktuell ganze Arbeit, denn es gibt im ehem. Schuhhaus Dietz allerlei zu beseitigen. Ob Ausstattungsgegenstände, alte Töpfe, Einbauschränke, Wandverkleidungen, neuere Bodenbeläge oder abgehängte Decken - alle Zutaten aus jüngerer Zeit müssen weichen, um die Urkonstruktion nach Möglichkeit freizulegen. Jedoch ist dies nur sinnvoll, wenn die ursprünglich Schicht auch tragfähig ist und neuere Ein- und Aufbauten ohne statische Bedenken ausgebaut werden können. Regelmäßige Baustellenbesuche stehen daher aktuell auf der Tagesordnung - ggf. auch mit tragwerksplanerischer Unterstützung.
So wurde letztendlich entschieden, nicht weiter mit dem Abtragen von Schichten fortzufahren. Zu guter Letzt wird noch die steinerne Treppe, die ins Obergeschoss führt, entfernt.
Auch müssen zeitnah Notsicherungen vorgenommen werden, etwa bei der instabilen östlichen Außenwand oder in Bereichen der Decken.
Nun ist die ideale Grundlage für ein verformungsgerechtes 3D-Aufmaß sowie eine restauratorische Befunduntersuchung geschaffen. Dazu werden nächste Woche Termine abgestimmt. Diese Maßnahmen dienen nicht nur als Planungsgrundlage - sie dokumentieren auch den Ist-Zustand des Gebäudes, das nun offiziell auch als Einzeldenkmal gelistet ist.

Da kommt ein bisschen Schutt zusammen…

Studierende im ehem. Schuhhaus Dietz

Historisches Dachtragwerk wie aus dem Lehrbuch

Das Dachwerk des (aktuell) drittältesten Gebäudes in Bad Neustadt hat einiges zu bieten. Nicht nur die mittelalterlichen Holzverbindungen oder die besondere (nicht standardmäßige) Ausbildung von Knotenpunkten begeistern - auch ist spannend, dass in dem Dachgefüge zwei konstruktive Einheiten ablesbar sind. Der ältere Abschnitt von 1418 (d) zur Hohnstraße hin ist dabei klar von der "jüngeren" Konstruktion im südlichen Dachdrittel unterscheidbar, die in das Jahr 1559 datiert werden konnte. Diese Maßnahme kann nicht nur im Dach sondern auch beim genaueren Hinsehen in den Geschossen darunter abgelesen werden. Das Geschäftshaus wurde also in allen Ebenen in der zweiten Hälfte des 16. Jh. erweitert.
In der Praxiswoche "Historische Dachtragwerke" des Studiengangs Denkmalpflege der Uni Bamberg legten die Bearbeiter*innen neben Detailzeichnungen von Knotenpunkten und Holzverbindungen auch Quer- und Längsschnitte durch das Gebäude an, die sie händisch aufgemessen und gezeichnet hatten. Dort konnte man die deutlichen Verformungen im Gebäude erkennen, die sich insbesondere im Dachgeschoss abzeichnen. In der Längsrichtung sackt das Gebäude enorm Richtung Hohnstraße ab, was jedoch durch eine frühe Hilfskonstruktion von 1531 (d) im Dach abgefangen werden konnte. Dank dieser konnten bis heute weitere stärkere Verformungen verhindert werden.
Nicht zu vernachlässigen sei auch die Gebäudeverformung in Querrichtung. Da die Nachbarbebauung direkt an die Traufseiten des Gebäudes angrenzt, kam es in der Vergangenheit, wie auch der ehem. Besitzer bestätigte, v.a. an der Ostseite des Öfteren zu Feuchteschäden, die sich vom Dach bis ins EG erstreckten. Dies zog insbesondere die Außenwand im 1. OG in Mitleidenschaft, was nicht nur für die Statik des Dachwerks sondern auch für die Tragfähigkeit des gesamten Gebäudes von enormer Relevanz ist.

In Kooperation mit dem statischen Fachplaner, der die Maßnahme bereits mit betreut, und dank der studentischen Voruntersuchungen konnten erste konkrete Sanierungsziele abgeleitet werden. Dabei steht natürlich der Wunsch und das Bestreben nach größtmöglichem und umfangreichem Erhalt der historischen Substanz an oberster Stelle, ohne den statischen Aspekt zu vernachlässigen. Denn um das Dach zu erhalten gilt es auch eine intakte Basis wiederherzustellen. All das soll so denkmalkonform wie möglich geschehen, damit das bau- und stadtgeschichtlich so wertvolle Gebäude als solches sowohl für die jetzige als auch für künftige Generationen bewahrt - und natürlich auch genutzt - werden kann.
Zunächst jedoch warten wir mit Spannung auf das Ergebnis des Antrags zur Listung als Einzeldenkmal, bevor restauratorische Untersuchungen und ein verformungsgerechtes Aufmaß folgen, die dann in Summe als vernünftige Planungsgrundlage für uns dienen werden, sodass wir so bald wie möglich in die Entwurfsplanung einsteigen können.

Studentische Betreuung

Dr.-Ing. Thomas Eißing, Christian Schmidt (BLfD),  Frank Ebner M.A., David Grüner M.A.

Zeitraum

11.07.2022 - 14.07.2022

Statische Betreuung

IB Federlein Ingenieurgesellschaft mbH

 

Eindrücke aus der studentischen Praxiswoche